Der Corona Lockdown, vom Frühjahr dieses Jahres an, hat (bis heute) auch den Spielbetrieb der Jugendligen und -meisterschaften eingefroren. Um so verwunderter waren wir, als plötzlich die Nachricht eintraf, dass es nach Ausfall von Qualifikationen, Landes- und Bundesmeisterschaften nun eine nachgeholte Deutsche Jugendeinzelmeisterschaft in den Herbstferien geben würde. Wie soll das gehen? Kein Mittelrhein – kein NRW, aber dann eine JDEM? Dass es noch 2 5-tägige Wettbewerbe für die Mittelrhein- und NRW-Qualifikation vor den Herbstferien geben könnte war ausgeschlossen. Auch war kaum zu glauben, dass Hygienekonzepte bewilligt werden würden, die Hunderte von Jugendlichen zusammenbringen könnten.
Verband und Vereine von NRW wurden blitzartig tätig, um noch ein Kontingent von Spielenden aufzustellen. Statt einer Großveranstaltung wurde die NRW-Meisterschaft in viele Einzelveranstaltungen aufgespalten. Mehrere Vereine sprangen ein und ließen die Gruppen mit jeweils nur einer Altersklasse und Sicherheitskonzept spielen. Ein riesiger Dank gebührt den Veranstaltern und Organisatoren, die in Windeseile die bürokratischen und organisatorischen Hürden nahmen, um noch schnellstmöglichst eine Qualifikation auf die Beine zu stellen. Ein paar sportliche Faktoren mussten bei so einer hastigen Abwicklung allerdings auf der Strecke bleiben:
In Mittelrhein wurden die Kandidaten für NRW lediglich nominiert. Das läuft, wie im Schach üblich, typischerweise nach DWZ. Da müssen sich die Kinder halt dran gewöhnen – hast Du zu wenig DWZ, wirst Du an der nächsten Ecke verscharrt. Längerfristige Trainingskonzepte und -perspektiven, unabhängig der DWZ, gibt es nicht – DWZ oder stirb. Wahrscheinlich hätten sich auf Mittelrhein auch unerwartete Begabungen nach vorne gespielt, die vorher noch nicht aktenkundig in Erscheinung getreten waren. Sie müssen auf nächstes Jahr warten.
Die NRW-Qualifikation wurde in Schnellschach ausgespielt – es gab schlicht nicht mehr Zeit. Aber auch das ist nicht ohne Nebenwirkungen: manche Vereine verzichten bewusst auf Schnellschach- oder Blitztraining, weil es ja schwer genug ist, die Kinder zu disziplinierten Langschachspielern zu erziehen. Sie sollen ja gerade lernen, Impulse zu kontrollieren und ihr kognitives Potential über längere Zeit optimal einzusetzen. Das eskaliert im Buchholz-Stechen: die Satzungen sehen vor, dass bei Punktgleichheit, unabhängig von Buchholz, ein Stechen gespielt werden muss. Alwin war im normalen Betrieb schon einmal im Schnellschach/Blitzstechen gelandet – jetzt kamen die Kinder, auch bei riesigen Buchholz-Differenzen, gleich in ein Blitzstechen.
Und Eilendorf? – Alwin hatte einen Freiplatz für NRW – also keine Fragen zur Nominierung in Mittelrhein. Trotz seiner sehr stabil gespielten Saison landete er lediglich auf Setzplatz 8. Die Hälfte der oberen Spieler war nur durch ca. 150 DZW getrennt – es würde also sehr knapp werden in diesem starken Feld. Alwin, in einem Schnell-Wettbewerb sicher auch im Vorteil durch seine hohe Blitz-ELO, verlor früh gegen Aik Arakelian – aber danach konnte ihm nur noch ein Spieler einen halben Punkt entreißen. Alleine auf Platz 1 – NRW Meister.
Ingmar spielte in der U12 ein solides, unspektakuläres Turnier. Er gewann gegen die Schwächeren, konnte aber gegen die Stärkeren nicht punkten (die ca. 200 DWZ über seiner Wertung lagen). Er kam auf 2 Plätze über seinem Setzplatz – ordentlich. Als Entschuldigung könnte man vielleicht anführen, dass die Mücken in dem Münsteraner Landhotel ihm wahrscheinlich einen Liter Blut ausgesaugt hatten, und drei Stunden Schlaf, aber mit solchem Schnichschnack wollen wir gar nicht erst anfangen – mal sehen, wie es nächstes Jahr läuft. Auch hier Verzerrungen: der überragende Sieger von letztem Jahr, Phillip Klaska, konnte keinen Qualifikationsplatz erreichen.
Bei der ganzen „gezoomten“ Qualifikation bleibt ein „Geschmäckle“. Es läuft auf die Frage hinaus: wollen wir die Meisterschaft ausfallen lassen, wie es in vielen anderen Sportarten der Fall ist, oder wollen wir eine Corona-Sondermeisterschaft veranstalten, nach anderen, als den üblichen Regeln. Die Sondermeisterschaft führt zu Verzerrungen. Nelson Strehse – seit Jahren einer der besten Jugendspieler: sein Vater nimmt bei jeder Deutschen Meisterschaft mehrere Kilo ab (private Schätzung), weil Nelson immer die längsten Partien seiner Klasse spielt, und oft erst nach 5 Stunden vom Brett kommt, wenn das Essen schon abgeräumt ist. Luka Xue – einer der besten U10 Spieler – er hat schon große Erwachsenenturnier mitgespielt, musste aber, weil sein riesiger Buchholz-Vorsprung nicht zählte, in ein Blitz-Stechen und verpasste die Qualifikation, weil er kein Blitz trainiert hat. Jonas Gallasch und Aik Arakelian – seit Jahren die Säulen ihrer Altersklasse; jetzt auch auf keinem Qualifikationsplatz. Wie wären sie aus einem normalen Langschachturnier gekommen?
Es gibt sicher viele bittere „Opfer“ dieser Sondersituation. Die Frage ist vermutlich: Was sendet das positivste Signal durch die Schachjugend – was gibt den meisten einen guten Antrieb durch die Corona-Zeit? Sicher wäre es gerechter gewesen, die Meisterschaften ausfallen zu lassen und auf einen, mit der Vergangenheit vergleichbaren, Wettbewerb zu warten. Auf der anderen Seite machen wir mit den Sonderregeln Vielen Mut: wir müssen nicht länger eingesperrt im Keller warten – wir können wieder Schach spielen. Es gibt ein Leben da draußen. Ich hoffe, dass das eine positive Motivation weiter tragen kann. Wir machen weiter – trotz Lockdown. Auch mir tut es leid, manche der „üblichen Verdächtigen“ nicht in der Qualifikation wiederzufinden. Aber – zeigt das Schach lebt, auch im Corona-Lockdown. Und wer es dieses Jahr nicht geschafft hat, mit all den Sonderregeln: Ihr seid nächstes Jahr noch stärker als dieses – lasst Euch die Freude nicht rauben, nur weil Ihr dieses Jahr einmal durch die Corona-Regeln benachteiligt wurdet. Euer Schach ist gut – und wird auch wieder aus den Corona-Trümmern auferstehen. Aus Ruinen.