Die Schwarzwaldhalle der Karlsruher Messe

Auferstanden aus Corona: Deutschlands größtes und höchst-besetztes Turnier ist wieder da! Die Weltspitze spielt im Grenke Classics, tausende in den Grenke Opens.

 

Grenke Chess Open 2024

Die riesige A-Halle

Zum ersten Mal fuhren Alwin und Ingmar zum Grenke Chess Open nach Karlsruhe. Alwin spielte in der stark besetzten A-Gruppe, die sich nach oben bis fast 2750 ELO erstreckte, für Ingmar gab es in der B-Gruppe (< 2000) auch noch genug Platz, sich zu verbessern.

Nach längerer Corona-Pause fand das Turnier endlich wieder statt, und das gleich mit einem neuen Teilnehmer-Rekord. Waren es auf der Teilnehmerliste noch über 2700 Teilnehmer, fanden sich am Start noch ca. 2550 – deutlich mehr als 2019 mit ca. 2200. Die Teilnehmer kommen aus aller Damen und Herren Länder – ein wirklich internationales Flair.

 

Projektion der Classics-Spiele vorne auf der Bühne

Die eigentlich mit der Veröffentlichung der Ergebnisse betraute Website Chessresults.com war von dieser Menge überfordert – bei der Dimensionierung der Software hatte man solche Teilnehmerlisten wohl nicht angenommen. Damit ist es das größte Turnier in Europa – die Veranstalter liebäugeln mit dem Weltrekord – mal sehen. Das Gedränge von Hunderten Spielenden vor den ausgehängten Listen war trotz der Enge  diszipliniert, und die Runden starteten mit kaum Verspätung. Die Ergebnisverwaltung auf der Website funktioniert tadellos.

Ingmar im B-Gewusel

 

Die Classics-Spieler auf der Bühne

Atmen mit den Stars

Besonders reizvoll ist das Teilen des Saals mit den Super-Großmeistern des parallelen Grenke Classics Turniers. Auf der Bühne im Saal der A-Gruppe spielt die Weltspitze, übertragen auf riesige Monitore über ihnen. Das schafft Atmosphäre – man kann bis auf ein paar Meter an die Stars heran, atmet dieselbe Luft. Wird das eigene Spiel zu langweilig, kann man sich immer Inspiration aus den Spielen auf den Monitoren holen. Die Halle ist sehr hoch – die Lüftungsverhältnisse sind trotz der über tausend Leute im Saal sehr angenehm.

Tag 1 – Gründonnerstag

Für die Open-Teilnehmer begann das Turnier am Donnerstag. Alwin startete unkonzentriert – er verschenkte eine Qualität, kämpfte sich dann aber auf ein Remis zurück. Ingmar gewann sicher. Wegen des verspäteten Starts war es dann nach Mitternacht etwas schwieriger, noch etwas zu Essen zu finden. Ein freundlicher Falafel Imbiss stellte die gute Laune der erschöpften Spieler wieder her – geöffnet bis 2 Uhr nachts.

 

Der Beste

Tag 2 – Karfreitag

Am Morgen erwischte es dann Ingmar – das erste Spiel ging verloren. Alwin gewann und kam langsam in Turnierform. In der zweiten Runde siegte Ingmar mit einer Kraftleistung: nach über 4,5 Stunden – nur 2 der Super-GMs spielten länger – brachte er seinen Punkt nach Hause. Alwin schaffte einen halben Punkt gegen einen 2450 IM – steil bergauf.

 

Tag 3 – Ostersamstag

Alwin und Irina

Mit 2 von 3 hatten die beiden einen passablen Start hingelegt.

Das Feld hatte sich erstmal sortiert – jetzt würde das Hauen und Stechen auf vergleichbarem Niveau beginnen. Ingmar gewann das erste Spiel unspektakulär. Bei Alwin kam es zu einem Highlight: er musste gegen WGM Irina Bulmaga (ELO 2429) (Wikipedia: Irina_Bulmaga) antreten, eine der stärksten Spielerinnen Europas, seit über 10 Jahren in den Top 100 der Frauenweltrangliste. Es entspann sich ein über 4,5 stündiges Ringen, in dem Alwin sich behaupten konnte, und am Ende einen halben Punkt verbuchte. Nur knapp schafften wir noch ein Mittagessen, bevor es um 15 mit der nächsten Runde weiterging. Bei Ingmar kam es zu einem Erschöpfungspatzer – eigentlich schon Remis konnte er sich nicht mehr konzentrieren und weg war der Punkt. Bananenmangel. Alwin, auf der Euphoriewelle der Vormittagsschlacht, siegte gegen einen weiteren IM. Tolle Serie.

Tag 4 Ostersonntag – Das Comeback und die Mauer

Der Weltmeister

Zusätzlich zu den fordernden Doppelrundentagen, bei denen meist 8-10 Stunden Schach von den Jungs absolviert worden waren, kam jetzt noch die Sommerzeit hinzu. Recht verschlafen rückten sie an, zu den unerbittlichen 9 Uhr. Ingmar, wieder etwas abgerutscht, musste seine Position gegen einen niedriger Gesetzten verteidigen. Alwin traf auf einen FM mit 2359.  Ingi gewann sicher, Alwin erzielte nach langem Kampf ein Remis. 

In der zweiten Runde dann der nächste FM für Alwin – es gibt ein schier unerschöpfliches Reservoir an FMs um die 2350. Wieder ein sehr langes Spiel – wieder ein Remis. Alwin wird zur Mauer: die FMs kommen nicht an ihm vorbei. Ingi machte seine bisher schönste Partie und zermalmte einen knapp 1950er. Als Schachblinder kann ich normalerweise nicht viel zur Analyse beitragen, doch hier kam es ausnahmsweise mal zu einer Eröffnung, die ich kenne, und die wir in der Familie schon öfters besprochen hatten (hauptsächlich, weil der hilflose Schachvater sich die Manöver erklären lassen musste):

Der Black Lion (unterhaltsame, freie Einführung auf https://www.chessable.com/short-sweet-black-lion/course/35086/ – auch ältere Einführungen auf Youtube von Simon Williams). Ingis Gegner wollte auf diese scharfe Variante der altehrwürdigen Philidor Verteidigung hinaus: 

Taktikaufgabe: Weiß am Zug gewinnt Turm in 4 Zügen

1. e4    d6

2. d4   Sf6

3. Sc3 Sbd7

Ingi fürchtete sich etwas, erinnerte sich aber ab den für Schwarz unangenehmsten Zug – mit Alwin hatten wir das schon durchgespielt (bzw. Ich mich belehren lassen). 

4. f4

Schwarz muss e5 spielen, sonst wird es zu eng. 

4.      e5

Ingi wollte nicht mehr Druck aufbauen, wie empfohlen, sondern erstmal durch Zerschlagung des Zentrums die Black Lion Strukturen verhindern. Etwas defensiv, aber better safe than sorry.

5. dxe5 dxe5

6. fxe5 Sxe5

Ingi, noch immer defensiv, wählt den Damenabtausch. Alwin meint zurecht, dass Weiß damit zuviel Initiative abgibt.

7. Dxd8+ Kxd8

Wie Williams in der bislang tiefsten Analyse des Black Lions gezeigt hat (https://www.chessable.com/the-black-lion/course/34040/), hat Schwarz hier eigentlich nichts zu befürchten. Vorrausgesetzt er richtet sein Hauptaugenmerk darauf, den König aus der Gefahrenzone zu bringen und zu entwickeln.  Weiß kann dann keinen Gewinn aus dem Tempoverlust durch die verlorene Rochade ziehen, und es entwickelt sich ein Remis-lastiges Mittelspiel. Ingis Gegner läßt seinen armen König aber ziemlich entblößt und wird bestraft. Kleine Taktikaufgabe zu der abgebildeten Stellung: Weiß am Zug gewinnt Turm in 4 Zügen – Schwarz gab dann auf.

Ostermontag – Pfeifend aus dem letzten Loch

Der Jäger

Die letzte Chance, noch etwas Punkte gut zu machen: Erschöpft machten sich die Jungs auf ans Brett – den anderen würde es sicher nicht viel besser gehen. Ingi wieder gegen über 1900 – Alwin in seinem mittlerweile Standardspektrum gegen 2336. Ingi ertrotzte sich ein Remis, Alwin konnte diesmal nicht standhalten  und verlor. Beim letzten Spiel ließen Ingis Kräfte nach – in einer vertrackten Eröffnung verlor er den Überblick und konnte sich nicht mehr erholen. Alwin bekam wieder einen schwächeren Spieler, den er leicht abwickelte. Die letzten Partien waren vergleichsweise schnell vorbei. Bei allen Spielern machte sich Erschöpfung breit.

 

Blick auf die Bühne

Fazit: Mit 5,5 / 9 landete Ingmar auf Platz 242 von insgesamt unglaublichen 1177 Plätzen – da viele Plätze mehrfach besetzt waren, dürften mehr als 1200 in der B-Gruppe gespielt haben. Bei Alwin waren es ebenfalls 5,5 / 9 und Platz 171 von 935 Plätzen. Auch das ein beachtliches Ergebnis, wenn man bedenkt, dass ein paar hundert Titelträger gesetzt waren und er eher bei den Frischlingen der bis ELO 2748 hochgehenden Gruppe war. Insgesamt ein ermutigendes, wenn auch anstrengendes Erlebnis. Aber es bleiben ja noch ein paar Ferientage zur Erholung.

Und wie lief es bei den Stars? Mann des Turniers war sicher Richard Rapport – er besiegte gleich zu Beginn Carlsen und ging an die Spitze, von der er dann aber wieder vertrieben wurde. Er kam jedoch stark zurück und landete am Ende im Stechen mit Carlsen. Doch wie so oft mit Magnus: viele kommen an ihn heran, aber kaum einer an ihm vorbei. So blieb Rapport Meister der Herzen – das hohe Preisgeld dürfte seinen Kummer etwas schmälern.

Am Ende Zweiter: Richard Rapport

 

 

 

 

 

 

Wer sich noch etwas tiefer in die Ergebnisse vertiefen möchte, kann das hier:

A-Gruppe: https://www.grenkechessopen.de/de/a-open

B-Gruppe: https://grenkechessopen.de/de/b-open

 

 

Grenke Chess; Open & Classic

Für jeden, der Schach mag und nicht an Platzangst leidet, (hoffentlich) ein Termin fürs nächste Jahr: (Mal sehen, wann die 3000 fällt)

 

 

 

 

 

Von lmainka

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